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Und trieb viele Dämonen aus...
(Predigt zum 5. Sonntag im Jahreskreis LJ B)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Zum Alltag Jesu gehörte das Austreiben von Dämonen? Was heißt das? Bei genauerem Hinsehen entdecken wir in unserem Alltag viele Dämonen, die unsere Leben bestimmen. Kann Jesus uns davon befreien?
Publiziert in:
Datum:2001-10-10

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Hiob 7,1-4.6-7 (1 Kor 9,16-19.22-23); Mk 1,29-39

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 Liebe Gläubige,

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über dem heutigen Evangelium könnte als Überschrift stehen »Ein Tag im Leben des Jesus von Nazareth«. Dieser Tagesablauf, den wir gerade gehört haben, ist irgendwie typisch für Jesus. Was aber ist nun so wichtig am typischen Tagesablauf Jesu, was ist so Besonderes daran, dass ihn Markus aufgeschrieben hat und ihn uns die Kirche heute als Evangelium, als Frohe Botschaft, vorlegt?

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Um uns dafür zu sensibilisieren, habe ich mir einen möglichen anderen typischen Tagesablauf überlegt, der aber dem Jesu ganz entgegen gesetzt ist. Ich möchte der erfundenen Person, der ich ihn anhänge, einmal den Namen Hans geben, weil es vielleicht ein jeder und eine jede von uns sein könnte. Wie könnte also so ein Tagesablauf aussehen:

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»Sie verließen das Einkaufszentrum von Kafarnaum und gingen zusammen mit Jakobus und Johannes gleich in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen mit Hans über sie. Da sagte er: "Warum habt ihr mir das nicht früher gesagt, ich könnte mich ja anstecken, und krank sein kann ich mir jetzt nicht leisten." Er ging also von ihr weg und die anderen folgten ihm nach, während sie niedergedrückt von Krankheit und Einsamkeit zurück blieb. Da verließ sie alle Lebensfreude und sie nahm nichts mehr zu sich.

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Am Abend, als die Sonne untergegangen war, setzte sich Hans vor den Fernseher und beobachtete auf den verschiedenen Kanälen die Kranken und Besessenen. Die ganze Welt war dort versammelt und er wunderte sich, an welchen Krankheiten des Leibes und der Seele die Menschen litten, und übernahm – ohne es zu merken – viele Dämonen von ihnen. Den Dämonen aber, die in ihm waren, verbot er, sich am Tage zu zeigen, denn die Menschen sollten nicht wissen, wie es in ihm aussah.

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In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf, und begab sich an seinen Arbeitsplatz um zu bu­ckeln und genügend Geld zu verdienen. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: "Alle suchen dich." Er antwortete: "Geht anderswohin, ich kann hier nicht weg, dazu bin ich viel zu wichtig." Und so verlief sein Leben zwischen Arbeit, Konsum und Sensationslust, und immer mehr Dämonen versammelten sich in ihm.«

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Was sind also die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Tag im Leben des Hans und dem Tag im Leben des Jesus von Nazareth?

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Beide haben "Freunde", Menschen, mit denen sie Zeit verbringen, deren Gegenwart sie schätzen — aber bis zu welchem Punkt? Hans nur bis zu dem Punkt, wo sie anfangen lästig zu werden, wo sie so von ihrer Krankheit, von den Problemen mit der Schwiegermutter, von ihren Sorgen so erzählen, dass er selber davon auf einmal mitbetroffen sein könnte, dass der fröhliche Abend zur Belas­tung werden könnte.

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Jesus nimmt gerade das auf, fängt gerade da an zu handeln, wo die Freunde von sich aus nicht mehr weiter können: er berührt die Krankheit, die Hans sorgsam vermeidet, und richtet damit die Leidende auf und sie kann andere bewirten. Hans vermeidet mit der Krankheit auch die Kranke, drückt die Leidende nieder, und die kann danach nicht mehr mal sich selbst versorgen, geschweige denn andere, weil sie nichts mehr aufnehmen kann.

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Beide befassen sich auch mit den Krankheiten und Dämonen von Menschen, die ihnen eigentlich nicht nahe stehen. Hans aber sieht die Krankheiten mit distanzierter Neugier aus sicherer Entfernung und ohne sich den Kranken verbunden zu fühlen, Jesus mit heilender Zuwendung, persönlicher Nähe und einem mitfühlenden Herzen.

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Und wie begegnen sie den Dämonen? Was sind überhaupt Dämonen? Ich möchte für heute einmal vorschlagen, Dämonen zu sehen als Mächte in den Herzen der Menschen, die sie versklaven, indem sie sie an Mechanismen binden und zu Taten bringen, die sie selber unfrei machen und andere verletzen, an deren Reue sie noch einmal leiden, und die sie doch nicht lassen können. Da gibt es die Dämonen von Habgier und Eifersucht, die Dämonen der sexuellen Ausbeutung und der verschiedenen Süchte und Abhängigkeiten, die Dämonen des Jähzorns und der Gewalt, und sicher viele andere mehr.

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Und während Hans sich diesen Dämonen, wie sie ihm das Fernsehen zeigt, hingibt und sie selber übernimmt, und sie dann zum schweigen bringen muss, weil die Fassade des ehrbaren Bürgers nicht zerstört werden darf, kann Jesus andere von diesen Dämonen befreien. Auch das kann er nur, weil er sich diesen Menschen direkt zuwendet und nicht aus der Ferne des Fern-Sehens über sie urteilt, weil er die Dunkelheiten nicht tabuisiert und unter den Teppich kehrt, sie aber auch nicht als Sensationen in die Welt hinaus posaunt, sondern indem er die Dämonen in den Betroffenen zum Schweigen bringt und so die Menschen selber wieder zu Wort kommen lässt.

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Und schließlich: In aller Frühe, als es noch dunkel war, geht Jesus an einen einsamen Ort um zu beten, um sich einem Gott anzuvertrauen, der ihm zu all dem die Kraft gibt, der seine Sorgen und Nöte und seine Schwachheit mitträgt. Die Einsamkeit gibt ihm die Möglichkeit die wilden Gedanken und Gefühle, die so ein Tag auslösen muss, zu verdauen und nicht einfach wegzuschieben. Das Gebet schenkt ihm die Kraft, wieder auf die Menschen zuzugehen, sich wieder von ihren Krankheiten und Besessenheiten treffen zu lassen, ja weg zu gehen zu weiteren Menschen, die ihn brauchen.

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Hans tut sich auch die Mühe an in aller Frühe aus dem Bett zu steigen, und auch er wendet sich einem Gott zu, nämlich dem Geld. Und in der Tat, auch sein Gott gibt ihm die Möglichkeit weiter zu machen wie bisher, aber eben nicht mehr. Dieser Gott erlaubt es nicht, dass man sich frei macht von den Zwängen des Alltags und sich anderen zuwendet, er erlaubt es ja nicht einmal, dass man sich sich selber richtig zuwendet. Denn dieser Gott ist kein menschenfreundlicher Gott, er ist ein fordernder und niederdrückender Gott, der Hans niederdrückt, jeden Morgen, wenn er "buckeln" gehen muss.

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 Liebe Gläubige,

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ich will ihnen nicht das Fernsehen vermiesen, sie alle zu Morgenmeditierern, Krankenpflegern oder Krankenschwestern machen, oder sie dazu bringen ihren Beruf aufzugeben und kein Geld mehr zu verdienen. Das bin ich alles selber nicht und habe machen auch nicht vor zu werden. Aber ich möchte uns allen, Ihnen und mir, die Frage stellen, wie wir all das tun, was wir tun. Tun wir es in einer Haltung der Distanz und Gleichgültigkeit gegenüber den Menschen, wie Hans, oder machen wir es ein wenig wie Jesus, der Christus, dem wir eigentlich nachfolgen wollen, und lassen uns ein auf die Menschen? Tun wir es so, dass wir unkritisch falsche Maßstäbe übernehmen, die uns dann wie böse Geister gegen unseren Willen steuern, oder so, dass wir den Heiligen Geist in uns wirken lassen, die Maßstäbe Jesu leben, und dadurch Dämonen aus der Welt vertreiben?

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Ich muss zugeben, in mir steckt schon einiges von dem Hans, den ich entworfen habe. Zum Glück habe ich ihn ein wenig übertrieben, karikaturmäßig, dargestellt, so dass ich sagen kann: nein, ganz so ist's ja wieder nicht mit mir. Ich würde mir aber wünschen, dass uns, mir und allen von Ihnen, in denen auch etwas von Hans steckt, eine Begegnung mit Jesus zuteil wird, so dass wir immer mehr nach seinem Geist leben können. Das könnte dann vielleicht so aussehen:

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»Eines Tages kam Jesus in die Stadt in der Hans lebte und begegnete ihm, als er sich gerade endgültig in eine interaktive Einzelkabine zu Arbeit, Konsum und Sensationslust einschließen lassen wollte um für immer Ruhe vor den anderen Menschen zu haben. Jesus spürte, wie groß eigentlich die Angst und die Hilflosigkeit von Hans waren, die ihn dazu trieben so zu leben, und wie sehr seine Sucht nach immer neuen Sensationen und Vergnügungen eine Sehnsucht nach Erfüllung und Liebe war. Und Jesus fasste ihn an der Hand und richtete ihn auf, so dass er zum ersten Mal spürte, wer er wirklich war. Und er sagte: Ich bin es, den du suchst. Und Hans erkannte, dass Jesus die Fülle des Lebens war und konnte sich befreien von allem, was ihn lähmte und womit er andere niederdrückte.«

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Unser Glaube sagt, dass so ein Ende der Geschichte des Hans kein naiver Wunsch ist, sondern dass es Wirklichkeit wurde in Simon, Andreas, Jakobus und Johannes und vielen anderen, und dass diese dann ähnlich leben konnten wie Jesus: in der Zuwendung zu anderen Menschen, in der Verbindung mit Gott dem Vater und im Bewusstsein um den eigenen Platz in der Welt. Ich wünsche uns, dass es in meinem und in Ihrem Leben auch Wirklichkeit wird.

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