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Das Wirklichwerden der Wirklichkeit
(Zum Sinn einer Rede von dramatischer Moraltheologie)

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:An der Katholisch-Theologischen Fakultät Innsbruck haben sich Moraltheologie bzw. Sozialethik in Forschung und Lehre eng an eine Dogmatik gebunden, die um den Schlüsselbegriff des Heilsdramas aufgebaut wird. Vor diesem Hintergrund gilt es zu reflektiert, welche Spezifika sich daraus für moraltheologische Argumentation und moraltheologische Inhalte ergeben. Ausgehend vom Ethikverständnis D. Bonhoeffers werden Kriterien einer dramatischen Moraltheologie erarbeitet.
Publiziert in:# Vortrag am Symposion "Dramatische Theologie im Gespräch" 10.-11.11. 2001. noch unveröffentlicht.
Datum:2001-10-11

Inhalt

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Dafür, dass es eine Dramatische Theologie gibt, sind das Stattfinden eines Symposions und die Veröffentlichung eines Bandes zu diesem Thema wohl Indiz genug. Dass es mitunter dramatische Folgen haben kann, Moraltheologie zu betreiben, werden nicht wenige Fachkollegen und Kolleginnen - zum Teil aus schmerzlicher Erfahrung - bestätigen. Der Frage aber, ob es Sinn macht von einer Dramatischen Moraltheologie zu sprechen und vor allem, welchen Sinn es machen könnte, gilt es im Folgenden nachgehen. (1)

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Verbindungen und Verwandtschaft zwischen Moraltheologie und einer dramatisch ansetzenden dogmatischen Theologie wurden zweifellos bereits mehrfach durchdacht und auch dargestellt. (2) Meine Ausführungen möchten sich in diese Überlegungen einfügen und einen Beitrag dazu leisten, einer Antwort auf die gestellte Frage nach einer Dramatischen Moraltheologie durch die Zusammenführung dreier Denklinien aus den Bereichen Dogmatik, Theologische Ethik (im Allgemeinen) und christliche Gesellschaftslehre (im Besonderen) etwas näher zu kommen. Es handelt sich dabei zum einen um die Ethik Dietrich Bonhoeffers, zum anderen um den Schwagerschen Entwurf des Heilsdramas und schließlich um die sozialethische Konzeption einer komponierenden Wegethik, die von Herwig Büchele vorgelegt wurde. (3) Diese drei Linien können, wie ich meine, auf je spezifische Art in das Zentrum dessen führen, was der für Uneingeweihte recht vage Begriff des Heilsdramas meint. Da es sich um Zugänge sowohl auf dem Gebiet der christlichen Ethik, als auch der Dogmatik handelt, lässt sich zumindest die Ahnung eines Gesamtbildes systematischer Theologie entwerfen, in dem Dogmatik und Moraltheologie eine, durch Spiritualität verknüpfte, organische Einheit bilden.

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1. Das Problem der Moraltheologie(4)

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Als Leitfaden und Wegweiser durch diese Überlegungen soll ein Zitat aus der Ethik Dietrich Bonhoeffers dienen, das sich in jenem Manuskript findet, das der Autor mit „Christus, die Wirklichkeit und das Gute" überschrieben hatte. Dort heißt es: „Das Problem der christlichen Ethik ist das Wirklichwerden der Offenbarungswirklichkeit Gottes in Christus unter seinen Geschöpfen, wie das Problem der Dogmatik die Wahrheit der Offenbarungswirklichkeit Gottes in Christus ist. An die Stelle, die in aller anderen Ethik durch den Gegensatz von Sollen und Sein, von Idee und Realisierung, von Motiv und Werk bezeichnet ist, tritt in der christlichen Ethik die Beziehung von Wirklichkeit und Wirklichwerden, von Vergangenheit und Gegenwart, von Geschichte und Ereignis oder um anstelle des vieldeutigen Begriffes den eindeutigen Namen der Sache selbst auszusprechen: von Jesus Christus und Heiligem Geist." (5)

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Bonhoeffer führt hier eine Unterscheidung zwischen philosophischer Ethik und christlicher Ethik ein, die nicht lediglich auf einem Unterschied der Erkenntnisquellen beruht. Christliche Ethik oder Moraltheologie zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie sich zur Beantwortung der Frage „Was soll ich tun?" zusätzlich zu den Mitteln der Vernunft, auch normativer Aspekte des Offenbarungstextes bedient. Gemäß Bonhoeffers Ansatz weist sie eine völlig eigenständige Argumentationsstruktur auf, die sich aus einem sehr spezifischen Wirklichkeitsverständnis ergibt, das nur aus der Reflexion des Offenbarungsgeschehens gewonnen wird. Gefasst ist diese Unterscheidung zwischen säkularer und theologischer Ethik in zwei Begriffspaare: An die Stelle des Gegensatzes von Sollen und Sein tritt die Beziehung von Wirklichkeit und Wirklichwerden.

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2. Zwei Säulen der Moraltheologie

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2.1 Wirklichkeit

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An jene Stelle, an der in jeder profanen Ethik das Sollen steht, tritt in der Moraltheologie Wirklichkeit; geschichtlich gewordene Wirklichkeit. Das Ereignis gewinnt damit den Vorrang gegenüber dem postulierten Gebot. Narrativität läuft Normativität den Rang ab.

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Die Verwandtschaft dieses Ansatzes mit Ethikkonzepten, wie sie in jüngerer Zeit im Umfeld des Kommunitarismus entstanden sind, ist unverkennbar. Damit tritt freilich auch eine Kritik auf den Plan, die immer wieder - zum Teil nicht unberechtigt - gegen gemeinschaftszentrierte Ethikmodelle ins Feld geführt wird. Beruft man sich auf das Wirkliche, zumal das in einem konkreten Beziehungsgefüge geschichtlich gewordene Wirkliche, als Grundlage von Ethik, so wandelt man damit gefährlich nahe am Abgrund des naturalistischen Fehlschlusses, den jede neuzeitliche Ethik seit Hume, spätestens aber seit G.E. Moore meidet, wie der Teufel das Weihwasser. (6) Zu recht, wird man sagen. Zu recht im Rahmen säkularer Ethik, gilt es zu ergänzen.

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Freilich ist sich auch Bonhoeffer dessen bewusst, dass die menschlich-gesellschaftliche Realität mit all ihren Kontingenzen und dunklen Seiten nicht zur Norm erhoben werden darf. Er selbst hat diese dunklen Seiten in seiner Zeit besonders leidvoll erfahren und bis zum Martyrium durchlebt. Dennoch bleibt er bei einer wirklichkeitsbegründeten Ethik, selbst in den relativ spät entstandenen Ethikfragmente, nicht nur in jenem ersten, das hier zitiert wurde. (7) Allerdings unter der Voraussetzung, dass, wer sich lediglich auf das empirisch Feststellbare des zufällig Gegebenen bezieht, über einen sehr beschränkten, ja vulgären Begriff von Wirklichkeit verfügt.(8) „Erkenntnis der Wirklichkeit ist nicht dasselbe wie Kenntnis der äußeren Vorgänge, sondern das Erschauen des Wesens der Dinge."(9) Dieses Wesen lässt sich auf empirischen Wege nicht erkennen. Im Gegenteil; die Fülle des empirischen Materials, sofern ungedeutet, kann die eigentliche Tiefendimension der Wirklichkeit sogar verstellen.

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Der Wirklichkeitsbegriff Bonhoeffers unterscheidet sich von einem an der Oberfläche bleibenden dadurch, dass er ein radikal theologischer, genauer ein schöpfungs- und erlösungstheologischer Terminus ist. So ist es dem evangelischen Theologen möglich, das Gute und das Wirkliche in ursprünglicher Einheit zu sehen. (10) „‚Schöpfung' heißt dieses unteilbare Ganze seinem Ursprung nach, seinem Ziel nach heißt es Reich Gottes. Beides ist uns gleich entfernt und gleich nah, denn die Schöpfung Gottes und das Reich Gottes ist uns allein gegenwärtig in Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus."(11) Wenn Bonhoeffer von Wirklichkeit spricht, meint er Schöpfungswirklichkeit, wenn er von Schöpfung spricht, meint er deren Vollendung mit. Die von Gott geschaffene und vollendete Weltwirklichkeit ist in der Gestalt Jesu, die „alles, was im Himmel und auf Erden ist" (Eph 1,10) vereint, präsent. Die Identifikation von Wirklichkeit und Christus ist keine nachträgliche, etwa in dem Sinne, dass Jesus als besonders guter Mensch den Willen Gottes in hervorragender oder gar vollkommener Weise verwirklicht hätte. Jesus ist nicht die Umsetzung eines Ideals, vielmehr der Inbegriff der Wirklichkeit im Zueinanderkommen von Gott und Mensch, als unvermischte und ungetrennte Einheit. Der Weltbegriff wird in ihm über das Empirische hinaus geweitet, dadurch, dass die Grenze zwischen Immanenz und Transzendenz durchstoßen ist. Gott und Welt sind nicht mehr die beiden Seiten einer Unterscheidung, die sich in strengem entweder-oder zueinander verhalten. (12) Darin trifft sich das Verständnis des evangelischen Theologen mit jenen Karl Rahners, der den Gottmenschen Jesus Christus als „... Anfang des endgültigen Gelungenseins der Bewegung der Selbsttranszendenz der Welt in die absolute Nähe zum Geheimnis Gottes." (13) deutet. Dies in einem Kontext, der das Zueinanderkommen von Gott und Welt als Ziel des gesamten Kosmos betont. (14) Der selbe Gedanke schimmert schließlich auch durch das Bekenntnis des Zweiten Vatikanums zum Herrn und Meister der Kirche als Schlüssel, Mittelpunkt und Ziel der gesamten Menschheitsgeschichte, in dessen Kenntnis dem Menschen erst der Zugang zur letzten Wahrheit über sich selbst eröffnet ist.(15)

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Weil der Plan der Schöpfung mit Jesus ans Ziel gekommen ist, wird an ihm und nur an ihm erkennbar, was Inhalt eines Naturrechts im christlichen Sinne ist, aber auch worauf hin sich eine biblisch verstandene Teleologie auszurichten hat. (16) An die Stelle der Idee, des Ideals der Ethik tritt eine konkrete Person als einmalig-einzigartiges historisches Ereignis. (17) Sie stellt jenen Punkt dar, an dem der Gegensatz zwischen Sein und Sollen zwar nicht aufgehoben, aber gelöst ist; und dies nicht im Rahmen eines wie auch immer weltjenseitigen Nirwanas, sondern gerade unter den Bedingungen des irdischen Menschseins; auch unter den Bedingungen von Sünde geprägter Strukturen.

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Die zugegebenermaßen eigenwillig wirkende Gleichsetzung von Wirklichkeit und Christuswirklichkeit angesichts einer sündengeprägten Weltrealität betont, dass die Bedeutung des Christusereignisses weit über das Episodenhafte hinausgeht, das zeigt, was auch noch möglich (gewesen) wäre. Dieses Ereignis hat nach dem Verständnis des Glaubens eine weltgeschichtlich bleibende und untilgbare Bedeutung. Insofern ist es die Wirklichkeit der Realität, auch wenn diese mit ihr noch nicht identisch ist.

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Moraltheologie ist somit notwendigerweise in dem Sinne dramatisch, als sie sich an Ereignissen orientiert, die zwar kurz gefasst und auf Bekenntnisformeln konzentriert werden können, aber immer der Erinnerung an das Gesamtgeschehen in seinem Handlungsablauf bedürfen. (18) Christliche Moral schöpft alle positive Normativität aus dieser Erinnerung an einen dramatischen Handlungs- und Ereignisablauf in dessen Zentrum ein sprechender, entscheidender, handelnder und leidender Mensch im Dialog mit sprechenden, entscheidenden, handelnden und leidenden Menschen steht. Was normativ formuliert werden kann, ist immer nur das Zweite, ist etwas Abgeleitetes von dem, was bereits geschehen ist und nur deshalb gültig, weil bereits etwas geschehen ist. (19)

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2.2 Wirklichwerden

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Würde man sich aufgrund des bisher ausgeführten damit begnügen, eine christlich-dramatisch Moral als solche zu kennzeichnen, die sich an einem historischen Geschehen und dessen Akteuren orientiert, wäre damit zwar ein Unterschied zu idealistischen Ethikansätzen gegeben, die nicht auf das tradierte Zeugnis einer Person gegründet sind, aber wohl bei weitem noch nicht ihr eigentliches Spezifikum erfasst. Die Idee das Guten wäre zwar ersetzt durch eine Verkörperung des Guten (im Sinne der guten Schöpfungswirklichkeit), das Projekt der christlichen Ethik wäre aber - wie das der säkularen Ethik auch - eine vom Menschen zu vollbringende Leistung. Damit hätte man Bonhoeffers Charakterisierung christlicher Ethik halbiert. Die Orientierungsgröße, das Telos würde nun zwar als Vorbild im historisch Vergangenen liegen, nicht mehr in einer noch ausstehenden Zukunft. Das Angestrebte wäre bereits einmal Wirklichkeit gewesen. Aber der Graben zwischen Ziel und Realität bliebe für Mensch und Gesellschaft wohl unüberbrückbar. Denn es stellt sich nunmehr doch die Frage, ob menschlichem Vermögen die imitatio Christi in einem pädagogischen Sinn jemals gelingen wird? Diese Frage ist ehrlicherweise zu verneinen. Das Vorbild des Jesus von Nazareth ist derart hoch gesteckt, dass es jeglichen Versuch, ihm nachzueifern von allem Anfang an frustrieren muss; vielleicht ist gerade deshalb seine Wirksamkeit in der Geschichte, selbst in jener der Kirche, so enttäuschend gering. Ja der hohe Anspruch dieses Vorbildes, den nicht nur Max Weber als Leitgröße eines Heiligkeitsethos bezeichnete, das nicht tauglich ist für weltliche Geschäfte wie etwa die Politik, destruiert Ethik möglicherweise sogar. Für den Bereich des Sozialen, insbesondere der Ökonomie hat das Karl Homann so formuliert: "Eine moralische Norm hat keine Gültigkeit, solange ihre Durchsetzung nicht sichergestellt ist."(20) Das ist besonders deshalb zu beachten, weil ständige Frustration auf dem Weg der Umsetzung und eine permanente Konfrontation damit, dass das verfolgte Ziel das einer Minderheit ist, sittliche Haltungen generell erodiert. Auch wenn eine solche Position - tritt sie in pointierter Zuspitzung auf - spontan zurückgewiesen werden mag, wirft sie eine wesentliche Frage auf: Kann es legitimerweise ethische Ziele geben, die über die Kraft des Menschen gehen, der „mit eben jenen durchschnittlichen Defekten der Menschen" (21) behaftet ist, von denen sich gemäß theologischem Sündenverständnis wohl niemand frei fühlen kann?(22)

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Aus säkular-ethischem Blickwinkel ist auch diese Frage sicherlich mit nein zu beantworten. Nicht aber aus moraltheologischer Perspektive. Ethik bleibt das Geschäft eines menschlichen Akteurs, der im Angesicht erwarteter und eintretender Aktionen und Reaktionen anderer menschlicher Akteure handelt. Theologie rechnet mit dem weiterhin heilsgeschichtlich handelnden Gott als zusätzlicher Figur des weltgeschichtlichen Dramas. Die Teleologie der Ethik vermag nur ein Telos im Sinne des zu treffenden Ziels zu sehen, nicht aber ein Telos im Sinn des verheißenen Endes, das auch Vollendung umfasst. Sie spricht daher stets vom Sollen, darin liegt ihr Wert und ihre Würde, die ihr keineswegs abzusprechen sind. Die Zusage eines Dürfens und Könnens, wie sie biblisch fundierter Moraltheologie nicht nur möglich, sondern auch wesentlich ist, (23) bleibt ihr aber grundsätzlich versagt.

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Der Schwagersche Ansatz des Heilsdramas (24) in seinen Akten kann sehr hilfreich sein das sur plus einer theologischen Ethik über eine säkulare Ethik hinaus zu verdeutlichen. Seine Darstellung des Heilsgeschehens ermöglicht nicht nur ein konsistentes Verständnis des gesamten Korpus der Heiligen Schrift mit all seinen Widersprüchlichkeiten und Brüchen, sie ermöglicht auch ein Verständnis der uns gegenwärtigen Zeit als Teil der einen Heilsgeschichte. „Das Drama Jesu wird ... weitergehen, es ist nicht nur ein lebenslänglicher, sondern auch ein weltgeschichtlicher Prozess."(25) Der heilsdramatische Ansatz ist nicht lediglich Deutungsmuster der Vergangenheit, er ist auch - und das ganz zentral - Deutungsmuster der Gegenwart und ihrer Ereignisse. Gegenwart und Ereignis aber sind für Bonhoeffer nicht nur Kategorien der beobachtenden Analyse von Mensch und Gesellschaft. Als Synonyme des Wirklichwerdens gehören sie auch in jenen Bereich, der die ethische Dimension der Realisierung des Sollens ablöst. Gemäß diesem Verständnis offenbaren uns die biblischen Texte nicht nur die Heilswahrheit als einmalige Tat Gottes, sondern auch die Richtung des vom Menschen fortwährend zu begehenden Heilsweges.(26) Der mit den Begriffen Gegenwart, Ereignis und Wirklichwerden gekennzeichnete Bereich ist nun allerdings der des Geistes Gottes. Legen wir das Verständnis der Bonhoefferschen Moraltheologie unter die Schablone des Schwagerschen Heilsdramas, dann wird ersichtlich, dass der genuine Ort der christlichen Ethik dessen fünfter Akt ist, jener in dem Pfingsten sich ereignet und die Geburtsstunde der Kirche liegt. Möchte man - was sich von den genera literaria der Schrift her nahe legt - Moraltheologie gänzlich im ersten Akt des Dramas beheimaten, man würde in der Begrifflichkeit von Sollen und Sein stecken bleiben. Das Scheitern in der Realisierung des Sollens bis auf den heutigen Tag müsste das letzte Wort behalten. Der Mensch müsste entweder als hoffnungslos dem Schlechten verfallen, oder die Forderungen Jesu als geradezu absurd überzogen erscheinen. Auf jeden Fall bliebe der Umkehrruf des ersten Aktes (Mk 1,15 par.) im oben beschriebenen Sinn kontraproduktiver Appell, der allein durch das weitere Geschick Jesu, sprich seine Ablehnung, bereits weitgehend entkräftet wäre.

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Mit einem moraltheologischen Ansatz beim ersten Akt des Heilsdramas würde man in der selben Sackgasse enden, in die man beim Versuch gerät Moraltheologie völlig außerhalb dieses dramatischen Geschehens zu konzipieren; als etwas, das nicht genuin mit dem Erlösungsgeschehen verknüpft ist - wenn auch nur denkerisch -, gleichsam als Notverordnung für eine Welt, in die Gott nicht eingetreten ist. In diesem Fall würde Moraltheologie aufhören Theologie zu sein, womit sie wohl wesentlich mehr verloren hätte als sie durch den Vorwurf mancher Ethiker riskiert, sie sei als Teil des Heilsdramas keine Ethik mehr. (27)

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Wird christliche Moral aber im fünften Akt des Heilsdramas - der die vorhergehenden vier natürlich voraussetzt - verankert, bleibt sie Teil des gemeinsamen dramatischen Auf-dem-Weg-Seins von Mensch und Gott. Nachfolge muss sich derart nicht in bloßer Nachahmung verlieren, die immer in der Gefahr steht, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen und damit in die Schlimmste Form des Moralismus zu geraten: der gnadenlosen Forderung nach Vollkommenheit. (28) Das Ethos des fünften Aktes des Heilsdramas bleibt ein Ethos der je neuen, je einmaligen Begegnung zwischen Menschen in Gemeinschaft und Gott, der nicht zur „idealistisch fixierten Idee" erstarren darf.(29)

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Der biblische Gott geht den Menschen in dieser Begegnung so weit entgegen, dass er selbst Mensch wird. Das bedeutet, dass er sich auf die Geschichte mit all ihren Bruchstellen und Wirren, und mit aller Kontingenz, die sich aus dem Zusammenspiel vielfältiger Freiheiten ergibt einlässt. Damit setzt er den ersten und bedingungslosen Schritt auf einem Weg, an dessen Ende konsequent die Überwindung einer Logik der Vergeltung durch eine Logik der Versöhnung steht. Jesus Christus ist der Weltversöhner, nicht der Weltzerstörer. (30) Moraltheologie als Formulierung der Konsequenzen der Nachfolge Jesu, ist durch diese versöhnende Haltung in die Pflicht genommen. In erster Linie fordert das eine Deutung der Zeichen der Zeit im Licht dieses Versöhnungsgeschehens. Soll Heilsgeschichte sich über Pfingsten hinaus fortsetzen, in der gleichen Zurückweisung aller Gewaltmittel in der Begegnung von Gott und Mensch, dann muss sich aber auch in der moraltheologischen Weisung das dramatisch vorpfingstliche Geschehen widerspiegeln. Das hat sowohl die Inhalte der Weisungen für den Heilsweg zu betreffen, als auch die Art und Weise, wie diese Inhalte im Konkreten bestimmt werden und wie versucht wird, sie umzusetzen.

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Bezüglich der Inhalte ist in erster Linie zu betonen, dass das Handeln Gottes von ihnen nicht losgelöst werden darf, da auch im vorpfingstlichen Geschehen niemals menschlich-autonome Akteure allein den Handlungslauf bestimmen, (31) wiewohl sie ihn mitformen, an ihm mitwirken, auch in ihrer Ablehnung. Das bedeutet einerseits, dass das sittliche Handeln des Menschen als Antwort auf einen konkreten Anruf zu verstehen ist, der im Letzten - wie auch immer er aussehen mag - hinweist auf das Unbedingte, als Verantwortung forderndes Du. (32) Andererseits ist und bleibt Gott aber auch der das antwortende Handeln Ermöglichende; die vertrauensvolle Beziehung zu ihm damit notwendige Voraussetzung einer theologisch verstandenen Sittlichkeit. Thielicke kann in diesem Sinne formulieren, dass der Glaube selbst praktische Erfüllung des ersten und damit aller Gebote ist.(33)

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Was Art und Weise der Ausformulierung und Umsetzung konkreter inhaltlicher Normen einer biblisch fundierten Moraltheologie betrifft, ist festzuhalten, dass es sich dabei selbst um Vollzüge des glaubenden In-der-Welt-Seins handelt. Die Zentrierung des ‚Gebotes' hin auf die glaubend-vertrauensvolle Gottesbeziehung ist daher auch für sie in Anschlag zu bringen. (34)

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Einige zentrale Folgerungen, die sich daraus für das Christsein in der Welt ergeben, hat Herwig Büchele - auch dort wo keine explizite Bezugnahme darauf erfolgt, immer im Umfeld dramatischer Theologie Schwagers(35) - in seinem Ansatz einer komponierenden Ethik des Weges vorgelegt. Ihr wende ich mich nun zu.

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3. Moraltheologie auf dem Weg

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3.1. Ethik des Weges als Gegenwartsform des Heilsdramas

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Eine Wegethik grenzt sich zunächst gegen eine ideologische Ethik des Prinzipiellen ab, wie Bonhoeffer es nennen würde, gegen eine Ethik der revolutionären Utopie (36), wie es bei Büchele heißt. Zu einer solchen könnte auch Moraltheologie werden, würde sie im ersten Akt des Dramas verankert. Der politische Messianismus hat immer wieder versucht, diesen Weg einzuschlagen, wobei das Wirken des Mannes aus Nazareth nicht nur von seinen Zeitgenossen immer wieder in dessen Sinn missverstanden wurde. Politischer Messianismus ist aber nur in der Form aggressiver Durchsetzung dessen, was als Reich Gottes postuliert wird, möglich. Der Wille Gottes, wie er in Jesus Christus sichtbar wird, ist damit in der Art und Weise, wie er umzusetzen versucht wird, verraten. Büchele betont immer wieder, dass das zu erreichende Ziel im Weg dorthin gegenwärtig und erkennbar sein muss. (37) Eine utopische Ethik fragt nicht nach dieser Entsprechung. Sie orientiert sich an einem Bauplan der heilen Welt, der als fertiges und umfassendes Gebilde im Ideenhimmel hängt und realisiert werden muss, koste es, was es wolle.

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Die daraus resultierende Unmenschlichkeit ist in letzter Konsequenz Folge jeglichen Denkens nach dem Muster eines Gegensatzes von Sollen und Sein. (38) Die Realität von Welt und Menschen und das Telos der Ethik stehen unter diesem Vorzeichen in unversöhnlichem Widerspruch zueinander. Diesen vermag selbst das göttliche Gesetz - sofern es Gesetz bleibt - nicht zu überwinden, sondern nur in die Apokalyptik hinein zu übersteigern. Ohne das konkrete geschichtliche Ereignis der Menschwerdung, so wiederum Bonhoeffer, wäre das Christliche ein prinzipielles Gesetz, das mit dem weltlichen immer auf Kriegsfuß stehen würde. „Prinzipiell verstanden gibt es hier nur einen ewig unlösbaren Konflikt, über den das praktische Handeln nie hinauskommt." (39) Die Gebote Jesu hingegen „... unterscheiden sich darin von allen Ideologien, dass sie in Jesus Christus mitten in der Geschichte erfüllt sind ..." (40)

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Einer Wegethik geht es gerade um dieses „mitten in der Geschichte". Sie setzt an im Hier und Jetzt und betrachtet jede Entscheidung, jede Weichenstellung und jeden kleinen Schritt als Teil dessen, was Wirklichkeit werden soll. Sie folgt insofern dem gewaltfreien Handeln Jesu, als es ihr um Annahme (41) und nicht um Durchsetzung zu tun ist. Aufgrund ihres inkarnatorischen Ursprungs kann sie die Not- und Entfremdungszustände der realen Welt und der Menschen darin nicht überspringen(42) und muß es auch nicht. Ort der Heilsgeschichte ist ihr die Geschichte der Welt.

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Bücheles Wegethik ist insofern dramatische Moral, als sie das Christsein in der Welt ebenso wie das Sein Christi in der Welt als interaktives Geschehen versteht, in dem Freiheiten einander begegnen. Die Ausweitung der Zahl derer, die als Handelnde und vor allem Entscheidende mit auf dem Weg sind, und die Ausweitung ihrer „Fähigkeit zum eigenständigen Mitgestalten" (43) ist folglich erstes Kriterium der komponierenden Wegethik. Das steht nicht im Widerspruch zur Glaubensorientierung am Handeln Gottes als entscheidendem Tun. Vielmehr ist das Tun Gottes in seiner Konkretion in Jesus Christus erst wirkliche Ermöglichung menschlicher Freiheit, da es den Circulus vitiosus der zyklischen Immanenz durchbricht. In ihm orientiert sich der vaterlos gewordene Mensch nur noch am Tun und Urteil der anderen. (44) Die Ermächtigung zu verantwortlichem Handeln löst aus der Sklaverei der Sachzwänge, die Produkt kollektiver, zum Teil unbewusster Prozesse sind, die uns letztlich als apersonale, eigenständige Mächte erscheinen. Botschaft und Wirken Jesu befreien von diesen dunklen Mächten, die in biblischer Sprache als dämonisch bezeichnet werden. „Das Tun Gottes befreit und befähigt die Menschen zu eigenem Tun. Der Mensch ist kein im letzten autonomes Wesen. Entweder wird er von den Leidenschaften geknechtet oder er lässt sich durch die Tat Gottes dazu befähigen, erst Herr in seinem eigenen Haus zu werden."(45) Das Wiedergewinnen verantwortbarer Gestaltungsfähigkeit durch ein Durchbrechen dieser Sachzwänge innergesellschaftlicher Selbstverhaftetheit ist gleichsam die soziale Gestalt der Befreiung aus Knechtschaft hin zur Gotteskindschaft. (46)

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3.2. Ethik des Weges als Ethik der Schritte zum je Besseren

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Durch die Geistausgießung ist die Christuswirklichkeit auch unsere menschliche Wirklichkeit geworden. Kirche als Gemeinschaft des Geistes ist Gegenwartsweise der Christuswirklichkeit in der Welt, aber eben gerade nicht in einer Form der Überwältigung, die menschliche Freiheit negieren würde. Der Verwirklichung dieser Wirklichkeit innerhalb der Realität wie wir sie vorfinden Raum zu geben und zu schaffen, ist somit bleibende Aufgabe. Daraus ergibt sich als Grundproblem der christlichen Moral die Gleichzeitigkeit von Kontinuität und Diskontinuität, wie Helmut Thielicke es formuliert.(47) Wobei Kontinuität für den Fortbestand der durch Lüge und Gewalt geprägten menschlichen Realität steht, Diskontinuität für den unterbrechenden Eintritt einer neuen Wirklichkeit in unsere Welt.

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Die inkarnatorisch-kenotische Gestalt dieses Eintritts nötigt auch moraltheologisches Denken dazu, sich der Kontinuität der Realität menschlicher Geschichte voll und ganz zu stellen, ja auszuliefern. Damit tritt es aus der eindeutigen Klarheit des Wahren, Guten und Schönen in das Zwielicht (48) der Welt. Eine sich am dramatischen Weg Jesu orientierende Moral kennt damit freilich nach wie vor die Richtung, in die es zu gehen gilt, den utopischen Horizont, wie Büchele es nennt,(49) auf den sie zuschreitet. Sie weiß aber nicht um die letzte Richtigkeit jedes einzelnen Schrittes, den sie setzt. Was in einer Situation, in der das Individuum allein im Dialog mit seinem Gott stünde, zumindest noch hypothetisch denkmöglich wäre, rückt in einer Situation der Vielfalt einander begegnender Freiheiten selbst aus dem Bereich des Denkbaren. Ein Wissen um das absolut Gute als zu Tuendes bleibt uns stets entzogen. Nicht nur wegen der faktischen Unkenntnis der komplexen Beziehungen zwischen den Menschen und Gruppen, sondern vor allem wegen der prinzipiellen Unvorhersehbarkeit der Reaktionen von Individuen und Gruppen aufeinander. Die Konflikte, die sich daraus ergeben, sind nicht nur und nicht immer Auseinandersetzungen zwischen dem Guten und dem Bösen. Sie entspringen vielmehr dem Ringen um unterschiedliche Konkretionen des relativ Guten oder des je Besseren. Unter den Bedingungen von Lüge und Gewalt, die auch in uns selbst nach wie vor wirken, lassen sich Entscheidungen in diesem Ringen kaum mit letzter Gewissheit fällen. Das gut Gemeinte kann in der vielfältigen Brechung von Reaktion und Gegenreaktion zum Gegenteil des Guten werden. Das Positive kann im Rahmen herrschender Randbedingungen eine Eigendynamik entwickeln, die es in Böses verkehrt. So gibt es wohl aus gutem Grund keine ‚moraltheologischen Dogmen' im Sinn unabänderlich festgeschriebener, sittlicher Einzelnormen. Das sollte auch so bleiben, denn was die Moraltheologie mit letzter Gewissheit zu sagen weiß, ist nichts anderes, als was das Dogma und das Bekenntnis zu sagen wissen. Alles andere muß wohl erwogen und rechenschaftsfähig sein, kann sich aber nicht von seiner Kontingenz lossagen. Eine Moraltheologie, die sich am dramatischen Verständnis des Heilsgeschehens orientiert, bleibt - auch wenn sie geistgeleitetes Tun ist - stets Annäherung. (50) Auch wo aus Glaube und Hoffnung gehandelt wird, das heißt in Orientierung an der Christuswirklichkeit, die den Tod der Sünde bedeutet, bleiben Sünden Teil unserer Lebensrealität. Das gilt auch für das Handeln der Kirche, das ebensowenig unmittelbar als Handeln Gottes missverstanden werden darf, wie die gewaltsamen Ereignisse um die ‚Opferung' Jesu, aus denen dennoch das Heil hervorging. Andernfalls müsste der dialogische Umgang Gottes mit menschlicher Freiheit an ein Ende gekommen sein.

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Das Gehen des Weges dieser Annäherung an das Gute bleibt uns nicht erspart, (51) es darf uns bei aller Mühsal nicht erspart bleiben, sollen wir uns nicht selbst erspart werden.

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Die Versuchung jeder Ethik (christliche Ethik ist davon keineswegs ausgenommen) liegt darin, den Weg zu überspringen und das Ziel, im direkten Zugriff auf die Vollendung der Weltgeschichte zu fassen zu bekommen. Derartige Versuche kommen nicht umhin das relativ Gute zu verabsolutieren und werden gerade dadurch zur Ideologie.

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Einer Ethik des Weges geht es um das je Bessere in „schöpferischer Treue"(52) zu ihrem Vorbild. Unbedingtheit besitzt für sie keine Norm, sondern immer nur dieses Vorbild. Ideologie hingegen negiert in ihrer Verabsolutierung von Normen die Demut der Inkarnation. Das heißt nun nicht, dass, wer im Bestreben größtmöglicher ‚Ideologiefreiheit' sich auf den Weg der Nachfolge macht, nicht in die Irre gehen kann. Da er aber um die Relativität seiner Schritte weiß, wird er sie entsprechen bescheiden setzen. „Während alles ideologische Handeln seine Rechtfertigung immer schon in seinem Prinzip bei sich hat, verzichtet verantwortliches Handeln auf das Wissen um seine letzte Gerechtigkeit. ... Das letzte Nichtwissen des eigenen Guten und Bösen und damit das Angewiesensein auf Gnade gehört wesentlich zum verantwortlichen geschichtlichen Handeln."(53) formuliert Bonhoeffer. Verantwortung in schöpferischer Treue, ohne letzte Rückendeckung durch ein unerschütterliches Prinzip ist demnach zweites Kriterium einer dramatischen Ethik. Die Selbstbescheidung der Moral, die hier im Begriff Verantwortung, die niemals völlig durch Norm und Autorität gedeckt ist, sondern Wagnis bleibt, gefasst ist, lebt also gerade aus ihrem Vertrauen auf die Fertigstellung des Begonnenen durch den, an dem sie sich orientiert. Oder nochmals pointierter formuliert: Verantwortung in schöpferischer Treue, ohne letzte Rückendeckung, kann nur deshalb riskiert werden, weil sie Verantwortung gegenüber dem Gott ist, der in Treue zu seinem Bund steht, auch trotz der Schuld und des Scheiterns der Menschen. Ostern als Ereignis der Auferstehung und der Zusage des Friedens an diejenigen, die zu den Feinden Gottes zu zählen sind, ist Quelle all dessen, was in Moraltheologie über das Ethische der Umkehrpredigt hinausgeht. (54)

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3.3 Ethik des Weges in solidarischer Distanz zur Welt

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Wegethik grenzt sich aber nicht nur gegen eine utopische Ethik der Prinzipien ab, sondern auch gegen fatalistische oder pragmatische Programme der Anpassung an die Welt in ihrem vorfindlichen Zustand. Büchele würde dies als Stückwerktechnologien des kleineren Übels bezeichnen. (55) Auch diese Spannung zum Gegebenen entspricht dem Weg Jesu, der sich in johannäischer Tonart als Sein in der Welt, nicht aus der Welt, aber trotzdem für die Welt charakterisieren lässt. In der Welt gegen die Welt zu agieren ist demnach die merkwürdig hybride Aufgabe der christlichen Moral, die nur schwer mit der Forderung nach Selbstbescheidung vereinbar zu sein scheint. Gleitet man an dieser Stelle nicht doch wieder in ein Ethos der guten Nachfolger ab, die dem idealen Vorbild besser entsprechen, weil sie sich besser abzugrenzen vermögen? Wiederum hilft ein dramatisches Verständnis des Heilsgeschehens, um klarer zu sehen und den angesprochenen Widerspruch zu lösen.

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Die geistgewirkte Gemeinschaft der Kirche, der das christliche Ethos angemessen ist, ist keine Aristokratie der Guten und kein exklusiver Zirkel der Erlösten. Vielmehr handelt es sich um eine von Gott trotz ihres Versagens nicht verworfene Gemeinschaft von Gescheiterten. (56) Gemäß der Logik eines gerechten Gerichts ist eine solche Kirche ein Unding. Sie ist erst möglich durch die überraschend neue Antwort Gottes auf die negative Reaktion seiner menschlichen Adressaten. Bonhoeffer betont in diesem Zusammenhang, dass Gott in seiner Menschwerdung die Realität des Menschen angenommen hat, aber gerade nicht, weil sie dessen würdig gewesen wäre, sondern weil sie seines Neins würdig gewesen wäre. Die Wirklichkeit Jesu - nochmals sei betont, dass sie die eigentliche Wirklichkeit von Welt und Mensch zum Ausdruck bringt - wendet sich der Weltrealität in engster Solidarität zu, doch gerade dadurch tritt seine Distanz zum Faktischen offen zu tage. Denn im Kontrast zur Person Jesu und ihres Weges wird sichtbar, wo das Faktische seine offenen Wunden trägt. (57) Daher sind „Anerkennung des Faktischen und Widerspruch gegen das Faktische" in einem Handeln, das sich an der Christuswirklichkeit orientiert als unlösbar miteinander verbunden zu verstehen. (58)

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Man könnte nun davon ausgehen, dass positive Annahme zu einer Situation von Harmonie und Konfliktfreiheit führen müsste. Der Weg Jesu, der auch die emotionale Dimension des Menschseins nicht überspringt, konfrontiert uns allerdings damit, dass dieses zweifellos wünschenswerte Ziel nur durch massive Konflikte hindurch erreichbar ist. Die aufbrechenden Konflikte sind dabei nicht lediglich marginal auftauchende Unvollkommenheiten, sondern quasi-notwendiges Produkt(59) eines Aufeinandertreffens von menschlichem Stolz und göttlicher Zuwendung.

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In Inkarnation nimmt sich Gott nicht primär der Größe des Menschen an, sondern seiner Erbärmlichkeit. Das Bewusstsein eigener Erbärmlichkeit, so meint der tschechische Literat Milan Kundera, sei durch die Liebe zu heilen, denn wer wirklich geliebt werde, könne nicht erbärmlich sein.(60) Andererseits verschärft die Liebe dieses Bewusstsein aber auch. Denn Liebe verklärt nicht; sie nimmt die Realität so an, wie sie ist. Gerade dadurch ist diese aber genötigt, sich selbst in ihrer ganzen Nacktheit wahrzunehmen. Anders gelagert ist die Situation im Falle von Hass und Feindschaft. Wer einen Gegner hat, kann sich entweder über dessen Erbärmlichkeit erheben, oder die eigene durch diesen verursacht meinen. Im ersten Fall triumphiert die eigene Stärke im zweiten die eigene Unschuld. Kritik in positiver Annahme trifft daher wesentlich tiefer als polarisierende Verfeindung, da sie nicht billig abgewiesen werden kann. Sie fordert die Kapitulation jeder Eitelkeit und jeglichen Stolzes und stößt so mitunter auf noch erbitterteren Wiederstand als bloße und radikale Gegnerschaft.

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Eine christliche Moral der es um das Wirklichwerden der Christuswirklichkeit in der Welt geht, muß mit solcher Ablehnung gerade dann rechnen, wenn sie der Christuswirklichkeit am nächsten kommt.

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Nicht aus so sehr aus dem Faktum der Ablehnung selbst, wohl aber aus der Art und Weise, wie Jesus und der Vater darauf reagieren, ergeben sich zentrale Forderungen für die ethische Praxis. Christlich motiviertes Handeln darf, je mehr es sich am Handeln und Geschick Jesu orientiert, in seiner Weltkritik nicht in die Reaktionsweisen eines apokalyptischen Kreuzzugs zurück fallen. Eine gewaltsam weltverändernde Praxis würde leugnen, dass das Kreuz eine Realität darstellt, die in ihrem Wesen völlig konträr zu dem ist, was rein menschlich aufgrund der Ablehnung Jesu durch seine Gegner aber auch durch seine Anhänger zu erwarten gewesen wäre. Die Reaktion Gottes auf menschliche Gegnerschaft und Ablehnung ist gerade nicht ein Gericht, das mit eiserner Faust Recht schafft.(61)

44
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Darin offenbart sich eine Haltung, die über die Rationalität der Gerechtigkeit hinausgreift. Der Weg zum Guten eröffnet sich offensichtlich erst dort, wo Verzicht auf berechtigte Ansprüche geübt wird. Für Moraltheologie bedeutet die Treue zur Orientierung auch an dieser Dimension des dramatischen Heilsgeschehens, dass für sie nicht nur das verbindlichen Charakter besitzen kann, was jeder bereit ist zu tun, oder woran jeder sich nur dann zu halten bereit ist, wenn auch alle anderen in gleicher Weise gesinnt sind. Eine derartige Haltung, über die eine säkulare Ethik kaum hinaus zu kommen vermag,(62) rechnet sie mit den Schwächen und Fehlern der Menschen, würde es niemals erlauben die Dynamik der herrschenden Zustände zu durchbrechen. Der Weg Jesu und die Wege großer Gestalten der christlichen Tradition verdeutlichen, dass es immer wieder die bedingungslosen Schritte einzelner in den Bereich der Supererogatoria sind, die den Heilsweg in der Geschichte bahnen.

45
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Dass das christliche In-der-Welt-Sein solcherart in ein sehr enges Verhältnis zum Martyrium gerät, betont gerade Johannes Paul II. immer wieder. (63) Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass Martyrium gerade nicht der Weg einer fraglosen Selbstsicherheit über Einzelnormen ist, sondern der Weg einer Glaubensüberzeugung, die mit dem letzten Nichtwissen der eigenen Gerechtigkeit im Konkreten verbunden bleibt. Als Glaubender aber nicht Wissender kann der Mensch seine letzte Verantwortung überantworten, selbst dort wo seine Freiheit absolut endet; im Tod. Aus Achtung vor der Freiheit des anderen und im Bewusstsein der möglichen Fehlerhaftigkeit und Korrumpiertheit eigener Urteile und Entschlüsse, ist diese Entscheidung ausschließlich eine für sich selbst fällbare. Darin unterscheidet der Märtyrer sich vom heiligen Krieger. Die Gewalt, die in der Nachfolge Jesu riskiert werden kann, ist somit bestenfalls die erlittene, nicht aber die angewandte.

46
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Das Martyrium kann nur in einer verengt individualistischen Sichtweise als Weg der sittlichen Perfektionierung gesehen werden. Im Kontext eines dramatischen Moralverständnisses erweist es sich als Extremform eines mitunter nicht anders gangbaren Weges zwischen den Abgründen der Unterwerfung unter das Faktische einerseits und einer verachtenden Weltablehnung andererseits, zwischen den Gräben parasitärer Inanspruchnahme des herrschenden Systems hie und der Illusion des Totalausstiegs da hindurch. In diesem Sinne ist es der Grenzwert radikaler Gewaltlosigkeit, die sowohl inhaltliches Gebot, als auch formaler Modus christlicher Moral sein muss. Die bereits mehrfach angesprochene Gewaltlosigkeit bleibt Gebot und Modus, auch wenn sie auf den ersten Blick in Scheitern und Untergang zu führen scheint. Denn gerade sie ist - sofern es gelingt sie durchzutragen - Zeichen der Gegenwart des Geistes, der Kirche konstituiert. Ihre Erfahrung ist jener Indikativ, der erst den Imperativ rechtfertigt. (64)

47
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Gerade an dieser Stelle wird deutlich, welch zentralen Stellenwert die ekklesiale Gemeinschaft für die christliche Moral hat. Die Gemeinde ist die Erzählgemeinschaft, in der die Erinnerung an das Christusereignis wach gehalten und tradiert wird. Sie ist aber noch wesentlich mehr. Ein Handeln, das sich an Wirklichkeit orientiert und nicht an abstrakten Prinzipien oder Idealen, wird schwerlich mit rationalem Gedenken das Auslangen finden, bietet die gegenwärtige Lebenssituation nicht erfahrbare Ansatzpunkte der gemeinten Wirklichkeit. Kirche ist der Raum in dem die bezeugte Christuswirklichkeit erlebt werden kann. Sie ist das auch als sündige und unvollkommene, sofern sie über die institutionalisierte Form menschlichen Zusammenlebens hinaus, sakramental-liturgische Gemeinschaft bleibt. Die Gestalt der Liturgie, besonders der eucharistischen Liturgie ist beständiger Ausdruck des gewaltfreien Miteinanders der Menschen untereinander und der Menschen mit Gott. Ohne die Dimension der feiernden Kirche könnte die Botschaft vom gewaltfreien Gott allzu leicht in der Differenz zwischen Botschaft und sichtbarer Gestalt des Gottesvolkes zerbrechen und untergehen. Christliche Moral lebt somit keinesfalls nur aus der konkret erfahrenen Gemeinschaft, sondern darüber hinaus wesentlich aus der spirituell erlebten Gemeinde, zu deren Spezifikum es gehört, sich als Sünderin zu bekennen. Darin kommt neuerlich zum Tragen, dass auch das bis ans Ende der Zeiten sich fortsetzende Heilsdrama Gott zum zentralen Akteur hat. (65)

48
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Die Kirche der Sünder, die sich selbst zugleich als Kirche der Heiligen bekennt, feiert in ihren liturgischen Vollzügen zentral die Gewaltfreiheit Gottes, die somit weit tiefere Bedeutung hat als bloßer Pazifismus. Im Erlösungsgeschehen verankerte Gewaltfreiheit ist Richtmaß einer Moral und deren Reflexion in schöpferischer Treue zur Christuswirklichkeit und solidarischer Distanz zur Weltrealität.

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4. Letzte Gedanken zum Vorletzten

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Christliche Moral bleibt auf dem Weg, als Teil des Heilsdramas, das im Wirklichwerden der vollendeten Wirklichkeit unter der Regie des Geistes Gottes weiterläuft bis ans Ende der Geschichte. So sehr auch in diesem Weg das Ziel, das uns in der Person Jesu bekannt ist, gegenwärtig sein muß, gilt es doch festzuhalten an der Überzeugung, dass der Weg selbst nicht das Ziel ist. Auch wenn wir uns am einzig absoluten Maß, das uns gegeben ist, orientieren - an der gewaltfreien Liebe Gottes zu Welt und Menschen - ändert sich daran nichts.

51
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Nicht nur christliches Denken, auch christliches Handeln steht unter einem eschatologischen Vorzeichen. Wenn daher, was Moraltheologie im Konkreten erkennt, vorläufig bleibt, weil eingebettet in das dramatische Geschehen einander begegnender Freiheiten, fällt sie damit nicht ins Bodenlose. Die aus ihrem Erkennen gesetzten Schritte können dennoch gültig bleiben, so wie die Akte eines Dramas es tun, allerdings nur an ihrem je eigenen Ort. Sie bleiben Teil der spannungsreichen Begegnungsgeschichte von Gott und Mensch, die noch nicht zu Ende ist, deren Dynamik aber in endgültiger Weise auf einen Kurs der Versöhnung und des Gelingens gebracht ist.

52
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Alle Schritte des Christseins in der Welt sind unentrinnbar dem Bereich des Vorletzten verhaftet, wie Bonhoeffer es nennt.(66) Moraltheologie kann das getrost einräumen, darf sich aber den Blick auf das Letzte nicht verstellen und das Wort über das Letzte nicht verbieten lassen; denn nur so kann sie mitwirken an der Wegbereitung und am Wirklichwerden der Wirklichkeit. Das Stehen im Vorletzten nötigt dabei zu Bescheidenheit, der Blick auf das Letzte führt, ja nötigt geradezu zu Selbstbewusstsein. Das Aushalten der sich daraus ergebenden Spannung zwischen Demut fordernder Vorläufigkeit und einem in Selbstbewusstsein und Entschiedenheit einzuschlagenden Lebensweg, ist im Grunde ein Unding. „Weil es aber einen Ort gibt, an dem Gott und die Wirklichkeit miteinander versöhnt sind, an dem Gott und der Mensch eins geworden sind, darum und darum allein ist es möglich." (67)

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Anmerkungen:  

54
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 1. An der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, entschlossen sich die Fachvertreter von Dogmatik, Moraltheologie und Christlicher Gesellschaftslehre ihre Fächer unter dem Begriff Systematische Theologie in einem Institut zusammenzufassen und Lehre wie Forschung unter den gemeinsamen forschungsorientierenden Leitbegriff des Heilsdramas zu stellen, wie dem entsprechenden Institutsprofil zu entnehmen ist.

55
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2. Vgl. z.B. Palaver, W./Guggenberger, W. u.a., Pluralismus ethische Grundintuition Kirche. In: ZKTh 120 (1998) 257-289.

56
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3. Als primäre Referenzliteratur zu den genannten Ansätzen ist hinzuweisen auf: Bonhoeffer, D., Ethik (Werke Bd. 6) Hg. von E. Bethge u.a., München 1992. Im Folgenden gekennzeichnet durch BE. Schwager, R., Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre. (ITS 29) Innsbruck 1990. Büchele, H., Christlicher Glaube und politische Vernunft. Für eine Neukonzeption der katholischen Soziallehre. (Soziale Brennpunkte 12) Wien, Düsseldorf 1987. Im Folgenden gekennzeichnet durch BGV.

57
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4. Wenn ich im Folgenden den Begriff Moraltheologie verwende, so ist damit die vielschichtige Einheit von stärker individualethisch geprägter Moraltheologie im herkömmlichen Verständnis und der auf Strukturen bezogenen Sozialethik gemeint. Die sprachliche Unterscheidung zwischen Ethik und Moral bezieht sich in diesem Text auf die Spezifika einerseits philosophischer, andererseits theologischer Ansätze. Anklänge an andere gängige Bedeutungsdifferenzierungen der beiden Termini sind nicht intendiert.

58
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5. BE 34.

59
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6. Dazu etwa Reese-Schäfer, W., Grenzgötter der Moral. Der neuere europäisch-amerikanische Diskurs zur politischen Ethik. Frankfurt a.M. 1997, 429. Horster, D., Postchristliche Moral. Eine sozialphilosophische Begründung. Hamburg 1999, 35f.

60
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7. Christus, die Wirklichkeit und das Gute ist nach der Auffassung der Herausgeber der letzten Auflage von Bonhoeffers Ethik 1940 entstanden. Die Arbeit an den Ethikmanuskripten setzte sich fort bis zur Verhaftung des Autors im April 1943. Vgl. Vorwort der Herausgeber in BE 16.f.

61
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8. Vgl. ebd. 39.

62
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9. Ebd.67f. Philosophische Erkenntnis ist für Bonhoeffer generell mit einem Mangel an Objektivität, also tatsächlichem Bezug auf das Wirkliche behaftet, weil sie stets geprägt vom erkennenden Subjekt und seinem Willen ist. Objektivität - hier ist wohl auch der Einfluss Karl Barths zu spüren - ist letztlich nur durch Offenbarung möglich. So etwa in Bonhoeffer, D., The Christian Idea of God. In: Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931(Werke Bd. 10) Hg. von E. Bethge u.a., München 1991, 423-433, 424: „Thinking does violence to reality, pulling it into the circle of the ego, taking away from it is original ‚objectivity'. Thinking always means system and the system excludes the reality."

63
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10. Vgl. Ebd. 35.

64
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11. Ebd. 38.

65
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12. Gemäß der funktionalen Systemtheorie im Gefolge N. Luhmanns operiert Religion gerade mit dem binären Code Immanenz/Transzendenz. Derartige Codes sind nur dann funktional zweckmäßig, wenn sie einer Entweder-oder-Logik folgen, gemäß der man nur jeweils auf einer der beiden Seiten einer Unterscheidung stehen kann. Vgl. Guggenberger, W., Niklas Luhmanns Systemtheorie. Eine Herausforderung der christlichen Gesellschaftslehre (ITS 51) Innsbruck 1998, 213-223.

66
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13. Rahner, K., Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg i.Br. 1984. 183.

67
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14. Das Zitat ist dem Abschnitt des Grundkurses mit dem Titel „Die Christologie innerhalb einer evolutiven Weltanschauung" entnommen. Dabei kommt der Aspekt der menschlichen Schuld und daher auch jener der Erlösung gar nicht zur Sprache, im Zentrum steht vielmehr die göttliche Selbstmitteilung. In Inkarnation zeigt sich die Vollendung des Heilswillens des Schöpfergottes. Schöpfungswirklichkeit in ihrer Vollgestalt ist damit auch bei Rahner identisch mit der Wirklichkeit des inkarnierten Logos.

68
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15. Vgl. Gaudium et spes 10. 40. Auch Büchele weist auf die Kontinuität zwischen Schöpfungsgeschehen und Christusereignis hin. „Deshalb ist die ganze Schöpfung von Grund auf schon christlich." BGV 194.

69
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16. Palaver verweist auf die Problematik einer moraltheologischen Naturrechtsargumentation, die das Faktum der Sünde übergeht. Stellt man sich dem Problem der Sünde offen, wird auch Natur als Schöpfungsordnung - ganz im Sinne der theologischen Tradition - erst durch Offenbarung erkennbar. Vgl. Palaver, W., Biblisches Ethos und Politik. In: Bandolfi, A./Münk, H.J. (Hg.), Theologische Ethik heute. Antworten für eine humane Zukunft. Zürich 1999, 353-370 bes. 364f.

70
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17. Vgl. Bonhoeffer, D., The Christian Idea of God. 429.

71
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18. Gemäß Hauerwas, S., Selig sind die Friedfertigen. Ein Entwurf christlicher Ethik. Neukirchen-Vluyn 1995, 71 sind Dogmen nichts anderes als hilfreiche Kurzfassungen des erzählten Geschehens, nicht aber dessen eigentlicher Kern.

72
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19. Auf diese Weise ist Moraltheologie von Letztbegründungen systematisch entbunden. Andernfalls müsste sie hinter die sie begründende Wirklichkeit, d.h. die Wirklichkeit Gottes zurückgreifen. Das entbindet sie aber nicht davon, ihre innere Kohärenz und die Konsequenzen eines Handelns nach ihren Richtlinien offen zu diskutieren.

73
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20. Homann, K., Wirtschaftsethik. Die Funktion der Moral in der modernen Wirtschaft. In: Wieland, J. (Hg.), Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1993, 32-53, 37.

74
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21. Weber, M., Politik als Beruf. Stuttgart 1992, 71.

75
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22. Schwager weist darauf hin, dass unter derart defektiven Bedingungen selbst die Nachahmung eines guten Vorbildes negative Folgen haben kann, sofern sie in einem Versuch der konkurrierenden Aneignung dessen Eigenschaften besteht. Vgl. Schwager, R., Unfehlbare Gnade gegen göttliche Erziehung: Die Erlösungsproblematik in der pelagianischen Krise. In. ZKTh 104 (1982), 257-290, 269.

76
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23. Vgl. BVG 193.

77
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24. Gemäß der Entfaltun in JHD.

78
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25. Niewiadomski, J., Das Drama Jesu. Raymund Schwagers Kurzformel des Glaubens. In: Ders./Palaver W. (Hg.), Vom Fluch und Segen der Sündenböcke (BTM 1) Thaur 1995, 31-47, 43.

79
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26. Die Terminologie, die die Frohbotschaft als Heilswahrheit und die ihr gemäße existentielle Weisung als Heilsweg bezeichnet, schließt sich an den Sprachgebrauch Bernhard Härings an. Vgl. z.B. Häring, B., Moraltheologie. In: Sacramentum mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis. (Bd. 3) Freiburg i.Br. 1969, 622-634.

80
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27. Vgl. Hengsbach, F./Eemunds, B./Möhring-Hesse, M., Jenseits katholischer Soziallehre. Neue entwürfe christlicher Gesellschaftsethik. Düsseldorf 1993, 267: „Damit besteht der begründete Verdacht, dass eine christliche Gesellschaftsethik entweder Theologie, dann jedoch keine Ethik, oder Ethik, dann jedoch keine Theologie, oder dass sie gar beides nicht ist." Den letztgenannten Vorwurf zieht sich christliche Ethik wohl dann mit Recht zu, wenn sie versucht möglichst nicht-theologisch zu sein.

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28. Vgl. BGV 151.

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29. Ebd. 150.

83
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30. Vgl. BE 68f. 74. „Nicht durch Zertrümmerung, sondern durch Versöhnung wird die Welt überwunden." Ebd 69. Anschluss an 2 Kor 5,19 auch Joh 3,17.

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31. Die christliche Botschaft verunmöglicht jede Überhöhung des modernen Autonomiegedankens, befreit aber auch von der damit verbundenen Last, die auch in einer hilflosen Konfrontation mit der eigenen Schuld besteht. Vgl. JHD 237.169.

85
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32. Vgl. Buber, M., Das dialogische Prinzip. Gerlingen 71994, 161-164.

86
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33. Vgl. Thielicke, H., Theologische Ethik (Bd. 1) Tübingen 21958, 64. Bonhoeffer weist in seiner Nachschrift zu einem Seminar mit dem Titel „Gibt es eine Christliche Ethik?" darauf hin, dass „Die gläubige Haltung: mit Gott rechnen" Voraussetzung der Möglichkeit einer theologischen Ethik sei. Bonhoeffer D., Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-32. (Werke Bd.11) Gütersloh 1994, 311. Vgl. auch Schwagers Feststellung BSB 175, dass das Kommen des Gottesreiches nicht an Jesu Wirken allein hängt, sondern der Mitwirkung der Menschen bedarf, die allerdings primär im Glauben besteht.

87
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34. Büchele betont den Unterschied in der Vorgangsweise und verwischt inhaltliche Differenzen. Vgl. BGV 125. Ich denke allerdings, dass die entstehungsweise von Handlungsrichtlinien auch auf deren Inhaltlichkeit durchschlägt, ja letztlich ist auch die Bestimmung der Art und Weise der Zielerarbeitung eine inhaltliche Norm. Sofern Moraltheologie und Ethik inhaltlich übereinskommen, soll uns das nicht stören, ganz im Gegenteil.

88
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35. BGV 132-169 widmet sich explizit der Frage nach den ethischen Implikationen des Dramas Jesu.

89
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36. BGV 86.

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37. „Um dieses Ziel zu verwirklichen, muss die Wirklichkeit dieses Zieles bereits auf dem Weg gegenwärtig sein, sonst ist es nicht der Weg, der zu diesem Ziel führt, ..." BGV 182.

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38. Es sei denn, der ethische Anspruch wird im Interesse der Humanität auf das Maß des unter den herrschenden Gegebenheiten pragmatisch Möglichen heruntergeschraubt.

92
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39. BE 236.

93
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40. Ebd. 231. Ideologisch ist für Bonhoeffer in diesem Kontext jede Position, die den Anspruch der Ethik als fern der geschichtlichen Wirklichkeit versteht und keinen Weg zwischen dem einen und dem anderen wahrzunehmen vermag, was entweder zu einer schwärmerisch-revolutionären Haltung, oder zur radikalen Privatisierung der Ethik führt.

94
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41. Annahme ist keine Einbahnbeziehung. Sie bedeutet zunächst die Annahme der Realität als zu heilende, nicht als zu überwindende oder zu vernichtende, dann die Annahme eines Angebotes durch diese Realität. Zweiteres ist dabei wohl unlösbar an ersteres gebunden, sein Stattfinden ohne dieses nicht zu erwarten.

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42. Vgl. BGV 179.

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43. Ebd. 88.

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44. Die Folgen solch innergesellschaftlicher Selbstverhaftetheit, wurde von Girard unter dem Begriff der mimetischen Krise dargestellt.

98
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45. BSB 176.

99
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46. Vgl. die Ausführungen in BSB 173-176.

100
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47. Vgl. Thielicke, H., Theologische Ethik, 71.

101
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48. Vgl. BE 221.

102
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49. Vgl. Büchele, H., Zu einer Ethik des Weges und des Gehens. In: Palaver, W. (Hg.), Centesimo anno. 100 Jahre Katholische Soziallehre. Bilanz und Ausblick (Theologische Trends 4) Thaur 1991, 277-295, 294.

103
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50. Vgl. BGV 125f. „Auf diesem ... Weg gibt es keine Garantie für das einzig richtige Ergebnis - weder für das zustandekommen der richtigen Einzelnorm noch der einzig richtigen soziallehre im ganzen. Nicht einmal eine Garantie für das jeweils optimale Ergebnis ist möglich."

104
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51. Büchele, H., Ethik des Weges. 279. „Niemand und nichts erlöst uns vom ‚Weg'."

105
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52. Vgl. Häring, B., Frei in Christus. Moraltheologie für die Praxis des christlichen Lebens. Bd. 1. Das Fundament aus Schrift und Tradition. Freiburg 1979 44: „Moraltheologie ist schöpferisch im Dienst Gottes und der Menschen nur, wenn der Theologe dem Worte Gottes treu und im Besten der Tradition verwurzelt ist. Man kann gleicherweise sagen, dass er nur dann treu ist, wenn er im Bewusstsein der Schöpferischen Gegenwart in der Geschichte seine eigene Berufung, daran aktiv teilzunehmen, demütig und dankbar ergreift."

106
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53. BE 224.

107
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54. Niewiadomski, J., Das Drama Jesu. 35

108
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55. Vgl. BGV 124f. Ethik des Weges. 284. Zur Logik des kleineren Übels auch BGV 59f.

109
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56. Vgl. Palaver, W./Guggenberger, W., Pluralismus - ethische Grundintuition - Kirche. 273-275.

110
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57. Vgl. BE 61.

111
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58. Ebd. 222.

112
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59. Wesentlich ist es, das Missverständnis zu vermeiden, das in einer Gleichsetzung biblischer Dramatik mit dem Begriff des Tragischen in antikem Sinn besteht. Bonhoeffer weist auf die Differenz de beiden Dimensionen hin. Das biblische Drama ist Heilsdrama, dessen konfliktives Geschehen sich aus Freiheitsentscheiden ergibt. Die antike Tragödie ist schicksalshaft-unentrinnbares Schuldigwerden in einer Welt, die das Heil nicht kennt. Vgl. BE 264ff.

113
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60. Kundera, M., Das Buch vom Lachen und Vergessen. München 1978, 165.

114
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61. Vgl. JHD124-127.

115
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62. Vgl. z.B. Habermas, J., Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt a.M. 1991, 136.

116
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63. So etwa massiv im dritten Kapitel seiner Enzyklika Veritatis splendor.

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64. „Am Indikativ, an der Wirklichkeitsform der Gemeinde, wird der Imperativ ablesbar. ... Der Imperativ muss im Indikativ entdeckt werden: Nicht als abstraktes Prinzip, sondern aus der Erfahrung, ..." BGV 176.

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65. Vgl. JHD 284. Gerade der Transzendenzbezug der Liturgie macht sie zum innerweltlichen Ort der Gesellschaftskritik als Kritik an der gegebenen Realität. Vgl. Pickstock, C., Liturgy and Modernity. In: Telos 113 (1998), 19-40, 22.

119
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66. Vgl. BE 143-156.

120
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67. BE 68.

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