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Nachruf auf Prof. Hans Bernhard Meyer SJ

Autor:Messner Reinhard
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:Mit Prof. Hans Bernhard Meyer SJ verstarb nicht nur einer der bedeutendsten deutschsprachigen Liturgiewissenschaftler seiner Generation, sondern auch ein bescheiden gebliebener und liebenswürdiger Mensch und Seelsorger.
Publiziert in:# Nachruf beim Sterbegottesdienst von H.B. Meyer am 8. März 2002 in der Innsbrucker Jesuitenkirche
Datum:2002-03-11

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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„Vor bösem, schnellem Tod" bewahrt zu werden, ist eine der markanten Bitten im bekannten Morgenlied „Aus meines Herzens Grunde". Morgenlieder sind Auferstehungslieder. Im Morgenlied wird Gott angerufen, daß das letzte Aufstehen des Menschen, dann vom Totenbett, zur Auferstehung hinein in seine Gegenwart werde. Vor „bösem, schnellem", weil unvorbereitetem und deshalb in noch ganz anderer Weise als sonst unheimlich-gefährlichem Tod ist P. Hans Bernhard Meyer verschont geblieben. Es war berührend, als P. Meyer vor Jahren im Institut, so nebenbei beim Kaffee, zum ersten Mal und in der für ihn bezeichnenden nüchternen Sachlichkeit, von seiner Krankheit sprach, die ihn dann vorige Woche zu Tode brachte. Seine Arbeitskraft war damals noch ungebrochen, doch man wußte: er bereitete sich schon auf den Tod, auf sein letztes Aufstehen vor.

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P. Meyers körperliche Kräfte waren dann bedrückend gebrochen, als er im letzten November zum letzten Mal an der Sitzung des Herausgeberkreises des „Handbuchs der Liturgiewissenschaft" teilnahm. Geistig jung geblieben, doch schon fast tödlich müde geworden, stellte er klar fest, daß er seinen großen Beitrag „Liturgie und Spiritualität" für Band 2 des Handbuchs noch fertigstellen konnte, doch die restlichen von ihm übernommenen Abschnitte für das ihm so sehr am Herzen liegende große Werk abgeben müsse.

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Es hat - mag's von menschlicher Warte aus Zufall sein - doch etwas Providentielles, daß P. Meyers letztes Werk die Themenkreise „Liturgie" und „Spiritualität" behandelte. Mit Liturgie und der Wissenschaft vom Gottesdienst, die er 26 Jahre an unserer Fakultät vertreten hat, mit Spiritualität und mit dem „Handbuch der Liturgiewissenschaft" sind drei Herzpunkte seines Lebenswerkes genannt.

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• Mit P. Meyer ist zweifellos einer der bedeutendsten Liturgiewissenschaftler seiner Genera-tion von uns gegangen, der - geistiger Nachfolger seines berühmten Mitbruders Josef Andreas Jungmann - den Innsbrucker Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft, den er als erster innehatte, über die Grenzen Österreichs und des deutschen Sprachraums hinaus bekannt machte. Für sein akademisches Wirken in Forschung und Lehre ist vielleicht am bezeichnendsten die Weite seines Horizonts. P. Meyer war alles andere als ein „enger Kopf". Welches der vielen Themen, die ihn in seiner Laufbahn beschäftigten, er auch immer bearbeitete, er öffnete sich einen weiten Blick durch die geschichtliche Grundlegung, die in seinen Publikationen niemals fehlt. Er wußte, daß die Kirche von heute, in der und für die er lebte, und der gegenwärtige Gottesdienst der Kirche nur vor dem Hintergrund ihrer historischen Entfaltung und Entwicklung recht zu verstehen und zu würdigen sind. Die Geschichte hat man die große Relativiererin genannt. Auf Grund seiner historischen Perspektive blieb P. Meyer verschont vor dem Festhalten an Moden und Klischees, sein historisches Wissen ließ ihn unbestechlich Ideologien und Vorurteile entlarven und realistisch in die Zukunft blicken.

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Dazu kommt sein klares theologisches Urteil. P. Meyer betrieb sein Fach, die Liturgiewissenschaft, wahrlich als theologisches Fach. Seine theologische Urteilskraft, durch seine gute Ausbildung grundgelegt, bildet die Basis dafür, daß er in die seelsorgliche Situation der Kirche hinein schreiben, reden und wirken konnte. Von den vielfältigen Nöten der Kirche ließ er sich seine Themen vorgeben. P. Meyer war ausgesprochener Weise ein liturgiewissenschaftlicher Generalist. Viele und vielfältige Themen - Liturgie und Gesellschaft, Liturgie und Politik, Zeit und Gottesdienst etc. - hat er in souveränem Überblick, aus der Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung der Fragen und mit unbestechlichem theologischem Urteil, als erster oder als einer von wenigen traktiert, hat nach den rechten Fragestellungen gerungen und erste Schneisen in die Problemfelder geschlagen. Er wollte damit der Kirche dienen; man hatte als sein Mitarbeiter keine Sekunde lang den Eindruck, bei ihm fielen Kirche und Theologie auseinander. Kritische Beurteilung kirchlichen Handelns gehört zum Geschäft des Theologen. P. Meyer scheute sich niemals, in seiner vornehmen, allen Extremen abholden Art, aber in aller wünschenswerten Klarheit, kritisch Stellung zu nehmen. Doch es ist Kritik, die aus der Liebe zur Kirche kommt, eine Haltung, die uns - der Theologengeneration nach ihm - ohne Zweifel Vorbild sein muß.

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Die Weite seines Horizonts kam auch der „Zeitschrift für Katholische Theologie" zugute, die er unglaublich lange - dreieinhalb Jahrzehnte - als Schriftleiter betreute, mit Hingabe und souverän all die schwierigen Anforderungen dieser Funktion ausfüllend. Wohl kein Aufsatz blieb von ihm ungelesen und unbearbeitet; als klar schreibender, auf Verständlichkeit bedachter Schriftsteller sorgte er sich nicht zuletzt darum, daß die gelehrte Theologie in einer ihr allein angemessenen sprachlicher Gestalt von hohem Niveau präsentiert würde.

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• Spiritualität oder Frömmigkeit ist neben der Liturgie der zweite Pol seines Schaffens gewesen. Daß P. Meyer persönlich ein tief frommer, aber niemals frömmelnder oder gar fanatischer Mann gewesen ist, wissen alle, die ihn gekannt haben. Öfter hat er erzählt, daß es ihn am Beginn seines Wirkens eigentlich zu r Zeitschrift „Geist und Leben" gezogen habe. Er hätte durchaus auch geistlicher Schriftsteller werden können, einer mit Tiefgang und dennoch nicht erfolglos. In seinem akademischen Fach, der Liturgiewissenschaft, ging es ihm auch nie einfach um die Liturgie an sich, sondern zuletzt um die wahre christliche Existenz, wie sie von der Liturgie geprägt, durch die Liturgie „informiert" wird, wie er in einem seiner einschlägigen Aufsätze zum Thema Liturgie und Spiritualität in Anlehnung an schultheologische Begrifflichkeit schrieb. Dem Gottesdienst galt seine Liebe, seiner rechten Feiergestalt, der theologischen Erhellung seiner Sinngestalt, vor allem aber seinen Konsequenzen für das geistliche Leben in den Gemeinden. Eine nur vorschriftsmäßig „persolvierte" Liturgie, und wäre sie äußerlich ästhetisch noch so gelungen, hatte er nicht im Sinn; seine Aufmerksamkeit als Theologe - man darf durchaus sagen: als geistlicher Theologie - galt der Ästhetik des christlichen Lebensvollzugs, in der Liturgie der Kirche und als ihre Konsequenz. Der Gottesdienst im Kirchenraum hat den Gottesdienst im Alltag zu prägen.

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Zu seiner geistlichen Tätigkeit gehören - neben all seiner hier nicht angesprochenen Tätigkeit als Seelsorger und Beichtvater - nicht zuletzt eine ganze Reihe von Publikationen über aktuelle Fragen der Christenheit in der heutigen Welt („Christsein zwischen gestern und morgen", „Verantwortung für die Welt" etc.), die er gemeinsam mit Fr. Ingrid Jorissen verfaßt hat. Auch hier zeigt sich der lange Atem und der weite Horizont des Liturgiewissenschaftlers, der aus der Perspektive seiner wissenschaftlichen Arbeit und in unbestechlicher Redlichkeit auf die Fragen der Zeit Antworten zu geben versucht.

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• Schließlich das „Handbuch für Liturgiewissenschaft", das große Werk, das P. Meyer in den letzten Jahrzehnten wohl am meisten am Herzen gelegen ist und in das er einen Großteil seiner Arbeitskraft investiert hat. Er hat es maßgeblich mit initiiert und war seit den Anfängen in den siebziger Jahren bis zum vorigen Jahr sein federführender Herausgeber. Gerade auch mit seiner Arbeit am „Handbuch" stellte er sich uneigennützig in den Dienst der Wissenschaft und der Kirche. Handbücher herauszugeben und mit zu verfassen, ist ein oft unbedankter Dienst. Er bedeutet nicht zuletzt auch den Verzicht auf persönlich vielleicht verlockendere Forschungsvorhaben. Doch das Handbuch, weltweit hoch geschätzt als das derzeit wohl international angesehenste seiner Art, ist zur Brücke geworden, die die Liturgiewissenschaft mit den übrigen theologischen und geisteswissenschaftlichen Disziplinen verbindet. P. Meyer hat darin das Herzstück verfaßt: den großen Band 4 über die Eucharistie. Es ist dies sein am weitesten rezipiertes und wohl auch bedeutendstes Werk. Die Fülle an historischen, theologischen und pastoralen Informationen, die es bietet, zeigt wie nichts anderes die Weite von P. Meyers Interesse und Kompetenz. P. Meyer hat den Abschluß „seines" Handbuchs leider Gottes nicht mehr erleben dürfen. Doch wird es den verbliebenen Herausgebern eine unbedingte Ehrenpflicht sein, es in seinem Sinn zu einem guten Ende zu führen.

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Am Schluß darf keinesfalls unerwähnt bleiben, daß P. Meyer nicht nur ein bedeutender Mann der theologischen Wissenschaft war, sondern - ganz einfach gesagt - eine Persönlichkeit. Seine vornehm-zurückhaltende Menschlichkeit war allenthalben geschätzt. Er hatte das ausgesprochene Charisma, Diskussionen mit klaren Worten auf den Punkt zu bringen, zwischen Gegenpositionen zu vermitteln und dabei keine Seite zu vergrämen. Gerade diese Fähigkeit machte ihn, der bestimmt kein besonderer „Sitzungstiger" war, zum allseits beliebten und hochgeschätzten Mitglied in vielen liturgischen und kirchlichen Kommissionen. Auch unsere Fakultät wurde durch seine Persönlichkeit mitgeprägt. Zweimal hat er sich ihr in der Funktion eines Dekans zur Verfügung gestellt. Und immer wieder, von den sechziger bis in die neunziger Jahre, erhob er seine Stimme, um in die anstehenden Sachfragen Klarheit zu bringen.

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So bleibt vieles, was von P. Meyer als Wissenschaftler und als Mensch im Gedächtnis der Nachfahren bleibt. Sein Werk und seine Person werden nicht so bald menschlichem Vergessen anheimfallen. Doch reicht das aus? Der christliche Gottesdienst, den P. Meyer so geliebt und theologisch erschlossen hat, versteht sich als gemeinsame Feier von Lebenden und Toten. Die Toten bleiben im Gedächtnis Gottes, sie leben vor seinem Angesicht und zu seinem Lob. Wir Lebenden leihen den Toten, leihen jetzt auch dem verstorbenen P. Meyer unsere Stimme, damit schließlich die ganze Menschheit, Lebende und Tote, einstimmen können in die Verherrlichung Gottes, der die Toten zum Leben erweckt. Der Totengottesdienst ist letztes Geleit. Wir geleiten jetzt P. Meyer hin zu einem neuen Leben, und so sei ihm als letztes Wort der für mich schönste Text aus der lateinischen Totenliturgie gesagt:

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In paradisum deducant te angeli, in tuo adventu suscipiant te martyres, et perducant te in civitatem sanctam Ierusalem. Chorus angelorum te suscipiat, et cum Lazaro quondam paupero aeternam habeas requiem.

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